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Tar‘dil von Schwarzfurth

In den Zeiten, da Untote als die Herren im Reich lebten, regierte in der Stadt Rena, die auch Schwarzfurth genannt wurde, der mächtige Kriegerkönig Tar‘dil. Er hatte sein Reich als Vatererbe von König Margas übernommen und war von Garbrand, einem tapferen Recken, erzogen und in allen Tugenden des Kampfes wohl unterwiesen worden. Schon bei Tar‘dils Geburt war geweissagt worden, daß er zu großen Taten berufen sei. Als Zeichen der Wahrheit dieses Spruches sollte Feuer aus seinem Munde sprühen, sobald er zornig wurde. Als diese Vorhersage wirklich eintraf, glaubten alle an Tar‘dils künftigen Ruhm.

Mit dem alten Waffenmeister Garbrand zog der junge Recke auf Abenteuer aus und bewährte sich im Kampfe mit Grim und Frost, einem räuberischen Riesenpaar, das im Lande ringsum Schrecken verbreitete. Als unüberwindliche Waffe trug der junge Held seither das herrliche Schwert Riesentod, das kunstfertige Zwerge geschmiedet hatten.

Seit Tar‘dil den Thron seines Vaters übernommen hatte, kamen von weit her tapfere Helden nach Schwarzfurth gezogen, um dem König als Gefolgsleute zu dienen; denn sein Ruhm war weit über des Landes Grenzen gedrungen. Da war der starke Heime, der sich nicht eher zum Waffendienst bereit erklärte, als bis er Tar‘dils Überlegenheit im Kampfe anerkennen mußte. Auch der kühne Witege wurde Tar’dils Gefolgsmann, obwohl er sich mit seinem kostbaren Schwerte Mimung, das sein Vater, Wieland der Schmied, ihm vererbt hatte, stärker als der Schwarzfurther gezeigt hatte.

Noch andere Helden kamen nach Schwarzfurth, um sich mit Tar‘dil im Kampfe zu messen. Unter ihnen war der Riese Ecke, der Gesittung und Lebensweise der Menschen angenommen hatte und bestrebt war, Ruhm und Ehre zu erwerben. Drei königliche Jungfrauen, von denen eine ihm ihre Hand versprochen hatte, wenn er den mächtigen Schwarzfurther bezwinge und ihr zuführe, hatten ihn zum Kampfe aufgestachelt.

Ecke fand seinen Gegner nicht in Schwarzfurth und ruhte nicht, bis er ihn zu später Nachtstunde im Walde traf. Trotz der Dunkelheit mußte Tar‘dil sich zum Kampfe stellen, und so heftig folgten nun Streich auf Gegenstreich, daß das Feuer, das sie aus ihren Helmen schlugen, weithin leuchtete. Endlich gelang es dem Schwarzfurther, den Riesen zu Boden zu zwingen, und da Ecke eher sterben als sich gefangen geben wollte, mußte Tar‘dil ihn töten.

Traurig bestattete Tar‘dil den tapferen Gegner, der ihn zum Streite gezwungen hatte. Er mußte bald darauf

noch weitere schwere Kämpfe bestehen, mit Eckes Bruder Fasolt und dem ganzen Riesengeschlechte, das Eckes Tod rächen wollte. Dann zog er zur Greifenburg. der drei grausamen Königstöchter, um ihnen das Haupt des toten Ecke zu bringen, den sie in den Tod getrieben hatten

Als Wohltäter der Bedrängten lebte Tar‘dil zu Schwarzfurth, niemand bat ihn vergebens um Hilfe, und weithin verbreitete sich der Ruhm seiner Taten.

Eines Tages berichtete der alte Garbrand von einem Zwergenvolk, das tief im Innern der Kalwenkberge hause und dessen König Rongrimm, obwohl nur drei Spannen groß, so stark sei, daß niemand ihm widerstehen könne. "Er besitzt in Eisentor einen Rosengarten mit goldener Pforte", sprach der kundige Waffenmeister, "und statt der Mauer umspannt ihn ein Seidenfaden. Wer diesen zu zerreißen wagt, den läßt Rongrimm furchtbare Rache spüren, denn er nimmt dem Frevler Hand und Fuß als Pfand."

Da beschloß Tar‘dil, sogleich mit seinen Mannen aufzubrechen, um sich mit dem Zwergenkönig Rongrimm im Kampfe zu messen. Sie kamen nach Eisentor und fanden auch den Rosengarten, die Rosen dufteten ihnen entgegen, als sie aus dem Walde traten. Witege war der erste, der in den Garten einbrach und unbekümmert die Rosen zerstampfte. In wildem Zorn stürmte der Zwerg Rongrimm, mit Speer und Schwert gewaffnet, heran, und der Held hätte sich des Zwerges nicht erwehren können, wenn nicht Tar‘dil ihm zu Hilfe gekommen wäre.

"Schlagt mit dem Schwertknaufe drein!" riet Garbrand seinem Herrn. Doch der Zwergenkönig zog seine Tarnkappe hervor und streifte sie über. Unsichtbar für den Gegner, ließ er nun Schlag auf Schlag auf den Schwarzfurther niedersausen und bedrängte ihn hart. "Faßt ihn um den Leib und entreißt ihm den Gürtel!" rief der alte Waffenmeister in der höchsten Not, und Tar‘dil folgte, wie immer, seinem Rat. So gelang es ihm, den furchtbaren Gegner, dem der Gürtel die Stärke von zwölf Männern verliehen hatte, zu Boden zu zwingen.

Da bat Rongrimm um Gnade, die ihm auch gewährt wurde, und als er die Recken in sein Reich einlud, folgten sie ihm in das Innere des Berges. Fröhliches Leben herrschte in König Rongrimms Reich. Die Gäste wurden bewirtet und mit allerlei Kurzweil, mit Gesang und Tanz und ritterlichen Kampfspielen, die das Zwergenvolk zeigte, unterhalten.

Rongrimm aber hatte die Rache nicht vergessen, die er im stillen den Recken geschworen hatte. Mit einem betäubenden Trank senkte er sie alle in tiefen Schlaf; dann ließ er die Wehrlosen fesseln und in einen finsteren Kerker werfen.

Über solchen Verrat geriet Tar‘dil, als er aus dem Zauberschlaf erwachte, in unbändigen Zorn. Flammen sprühten aus seinem Munde und verbrannten die Fesseln. So ward er frei und konnte die Bande seiner Gefährten lösen. Den Kerker vermochten die Helden jedoch nicht zu öffnen bis Xaranthar der Vater von Arzul den tapferen Schwarzfurther zu Hilfe kam und einen mächtigen Zauberspruch webte und die starken Eisengitter zerstörte.

Xaranthar, dessen Schwester Janas, König Rongrimm in den Berg entführt hatte, um sich mit ihr zu vermählen, lag in einer besonderen Kammer gefangen. Janas, die nichts sehnlicher wünschte, als Rongrimms Reich zu verlassen, befreite den Bruder und trug ihm Waffen zu. Kurze Zeit später half er dann dem König Tar‘dil und seinen Mannen aus ihrer Haft heraus.

Vergeblich rüsteten sich die Zwerge zu Tausenden, sie erlagen der Kraft der Helden, König Rongrimm wurde gefangengenommen, und Tar‘dil gedachte, ihn wegen seiner Treulosigkeit zu töten. Aber Janas und Garbrand baten für ihn, so daß Tar‘dil ihm Gnade gewährte. Er führte den Zwergenkönig mit sich nach Schwarzfurth. Später versöhnte sich Tar‘dil mit Rongrimm und ließ ihn in den Berg zurückkehren.

 

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